Edeka-Marketingchef Claas Meineke im Interview:
"Noch heute bestellen die Kunden exakt 268 Gramm Mortadella"
Der deutsche ADC hat Claas Meineke zum Kunden des Jahres gekürt. Im Interview spricht der Edeka-Marketingchef über konsistente Werbung und wie Kreativideen entstehen.
Jedes Jahr zeichnet der Art Directors Club (ADC) den besten Kunden aus. 2018 ging der Titel an Martell Beck von den Berliner Verkehrsbetrieben. 2019 durfte nun Claas Meineke den Preis entgegennehmen, Vorstand Marketing und Vertrieb beim Lebensmittelhändler Edeka.
Edeka fällt regelmäßig mit hervorragenden Kampagnen auf. Zu den bekannteren Beispielen aus jüngerer Zeit gehören die Werbefilme mit Friedrich Liechtenstein und Sonderproduktionen wie der mit Preisen überhäufte Weihnachtsfilm Heimkommen und das Projekt Vielfalt. Die betreuende Agentur von Edeka ist seit dem Jahr 2012 Jung von Matt, erfunden hat die Kampagne "Wir lieben Lebensmittel" davor die Hamburger Agentur Grabarz & Partner.
Claas Meineke leitet das Marketing von Edeka seit elf Jahren. 2017 stieg er in den Vorstand der Hamburger Gruppe auf. Im Interview spricht er darüber, wie er den Edeka-Markenauftritt weiterentwickeln will, welche Rolle Agenturen für ihn spielen und welche Kampagnen-Favoriten er persönlich hat.
"Wir waren in der Vergangenheit mutiger als andere"
Herr Meineke, Sie sind 2019 der "Kunde des Jahres" beim ADC. Was machen Sie anders im Marketing als andere?
Was uns als Kunde besonders macht, sollten Sie die Agenturen fragen. Ich denke, es hängt damit zusammen, dass wir in der Vergangenheit mutiger waren als andere und auch mal bereit zu polarisieren. "Supergeil" hätte ja auch schiefgehen können – aber es hat funktioniert! Ähnliches gilt für die "Heimkommen"-Kampagne mit dem Tabuthema Einsamkeit im Alter. Oder für den "Vielfalt"-Spot, der ebenfalls eine breite Diskussion ausgelöst hat. Dieser Mut kommt aber nicht von ungefähr. Edeka ist als Genossenschaft ein Unternehmer-Unternehmen, und wie jeder Unternehmer weiß, muss man für den Erfolg auch mal ein Risiko eingehen.
Was sagen Sie denn zur Auszeichnung "Kunde des Jahres"?
Erst einmal sage ich Danke an alle, die für Edeka gestimmt haben. Ich freue mich über diese Anerkennung, denn sie bestätigt uns auf unserem Weg. Aber ausruhen werden wir uns darauf sicherlich nicht! Der Blick geht immer nach vorn.
Wie soll sich Ihre Marke in der Kommunikation von Mitbewerbern unterscheiden?
Letztlich geht es uns immer darum, das Einkaufserlebnis in unseren Märkten auch kommunikativ erlebbar zu machen. Wir erzählen Geschichten rund um unsere Kernwerte wie Kompetenz, Kundennähe und Genuss. Die Markenversprechen, die wir in der Werbung machen, werden Tag für Tag von den 3.800 selbstständigen Edeka-Kaufleuten in ihren Märkten mit großer Leidenschaft eingelöst. Das macht unsere Kampagnen glaubwürdig und gibt uns die Freiheit, auch mal neue Ideen auszuprobieren.
Das kann auch schwierige Konstalltionen bei der Ideenfindung bedeuten. Welche Ideen stoßen intern auf Widerstand, und wie lösen Sie das?
Wir sind Händler, und dazu gehört eine gewisse Bodenständigkeit. Das scheint zunächst bei mancher Kreatividee hinderlich, ist es aber nicht. Durch das interne Korrektiv werden wir geerdet und manche Kundenperspektive vorweggenommen. Das hilft uns frühzeitig, unsere Ideen so weiterzuentwickeln, dass sie auf breiter Kundenebene ankommen.
Welche Schritte folgen im Marketing und in der Kreation noch?
Lassen Sie sich überraschen! Die Ideen werden uns so schnell nicht ausgehen. Wir wollen die mobilen Kommunikationskanäle ausbauen, unsere Kunden noch individueller ansprechen und sie mit echten Mehrwerten überzeugen.
Welches sind aus Ihrer Sicht die zentralen Entwicklungsschritte der Kampagne?
Grundsätzlich entwickeln wir unseren Markenauftritt kontinuierlich weiter. Aber es gab natürlich einige besondere Evolutionsschritte. Mitte der 2000er-Jahre tobte ein Preiskrieg im Handel. Als erster Händler hat Edeka damals einen neuen Weg eingeschlagen und statt auf den Preis konsequent auf Qualität und Kompetenz gesetzt. Mit der Botschaft "Wir lieben Lebensmittel" haben wir es geschafft, die Kunden auf diesem Weg mitzunehmen. Sieben Jahre später haben wir das gelbe Herz als starkes visuelles Symbol eingeführt. Und nun, erneut nach sieben Jahren, haben wir uns entschieden, den Claim noch weiter zu stärken. Das Herz wird als Gestaltungselement noch sichtbarer und eben auch hörbar – als pulsierender Ton. Und wir binden die Lebenswelten der Kunden stärker in die Kampagne ein. So startet unser aktueller TV-Spot nicht im Markt, sondern in der Küche unserer Kunden.
Warum braucht Edeka neuerdings ein weiteres Soundlogo?
Das ist nichts Neues. Wir haben schon lange ein Soundlogo, nämlich das Pizzikato als Abbinder nach jedem Spot. Der bleibt auch unverändert. Mit dem Herzklopfen haben wir jetzt ein zusätzliches akustisches Signal eingeführt, das unsere zentrale Markenbotschaft "Wir lieben Lebensmittel" in einer weiteren Dimension verstärkt.
Haben Sie persönliche Favoriten?
Da gibt es eine ganze Reihe. Legendär ist der TV-Spot "Wursttheke" von 2007: Auch heute noch bestellen manche Kunden im Markt exakt "268 Gramm Mortadella". Zu den Meilensteinen zählen sicherlich die Onlineklassiker wie "Supergeil", "Heimkommen" oder "Eatkarus". Wenn wir über Bewegtbild sprechen, sollten wir unsere Social-Media-Kanäle nicht vergessen. So schaffen wir es beispielsweise mit Yumtamtam seit 2015, eine junge Fangemeinde auf Youtube fürs Kochen zu begeistern.
Welchen Einfluss haben die betreuenden Agenturen? Und welche Gestaltungsfreiheit?
Wenn Edeka als "bester Kunde" geehrt wird, dann muss es auf der anderen Seite ja auch einen Auftragnehmer geben. Und das sind die kreativen Köpfe in den Agenturen! Nur mit ihnen haben wir es in den letzten Jahren geschafft, so viele gute Ideen auf die Straße zu bringen. Wir ringen immer um die beste Lösung und haben daher auch den Anspruch, dass unsere Agenturen dieses mit uns gemeinsam tun. Für echten und dauerhaften Erfolg ist eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit unerlässlich. Dazu zählt aber auch eine ordentliche Portion an konstruktiver Reibung, denn die erzeugt bekanntlich Energie.